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Auf einer Wiese am Bach in der Nähe von Annas Heimatort schlugen wir unser Lager auf. Hier wollten wir während der nächsten Wochen trainieren, die Ausrüstung testen und das Vertrauen unserer Esel gewinnen. Dazu war es wichtig, dass die Esel ihre vertraute Umgebung und die Herde verließen. Ab nun sollten sie rund um die Uhr mit uns zusammen sein.

 

Ronja und Darinka schienen die tägliche Abwechslung der Spaziergänge zu genießen. Vor allem für die vierjährige Darinka gab es jeden Tag etwas Neues zu entdecken. Schon nach wenigen Tagen hatte sie ihren eigenen Sinn der Wanderung gefunden. Für Darinka war es eine Gourmet-Tour durch schöne Landschaften, die man anknabbern kann. Das Tempo unserer Wanderungen richtete sich nach den Bedürfnissen der Tiere. Esel gehen, vor allem im Vergleich zum Pferd, langsam, etwa 3,5 Kilometer pro Stunde. Ein Tempo, an das ich mich erst gewöhnen musste. Immer wieder spürte ich den Drang schneller gehen zu wollen. Doch genau darin liegt die Kunst des Wanderns mit Esel, man muss sich dieser Langsamkeit öffnen und sie genießen lernen. Mit einem Esel zu wandern, ist ein meditatives Gehen, bei dem die Gedanken schweifen oder vollkommen zur Ruhe kommen.

Trotz aller Versuche die Kunst des Müßiggangs zu erlernen, wurde unsere Geduld immer wieder auf die Probe gestellt. Zum Beispiel, wenn unsere Eselchen einfach stehen blieben und eine Pause einforderten, auch wenn wir erst zwanzig Minuten unterwegs waren. Dann waren sie wie kleine Kinder, sie wollten ihre Pause jetzt und sofort und unter keinen Umständen noch weitere 500 Meter bis zum nächsten Bankerl gehen. Und uns blieb nichts anderes übrig, als ebenfalls zu rasten, bis eine der beiden Eseldamen sich wieder in Bewegung setzte. Noch schlimmer war es, wenn wir über eine Brücke oder durchs Wasser gehen wollten. Stundenlang standen wir vor einer harmlosen Holzbrücke und versuchten unsere Langohren hinüber zu locken. Nicht nur einmal mussten wir umkehren und einen Umweg in kauf nehmen. Denn anders als beim Pferd kann man einem Esel seinen Willen nicht aufzwingen. Ein Pferd gleicht charakterlich eher einem Hund, es will gefallen, dazu gehören, reagiert auf Anweisungen und orientiert sich als Herdentier am Leitpferd oder am Menschen. Der Charakter des Esels entspricht eher dem einer Katze: In Eselherden gibt es keinen Anführer, jeder Esel entscheidet für sich selbst. Daher kann auch der Mensch nicht zum Alpha-Tier des Esels werden, nur zum Freund, dem er vertraut.

Während der ersten Wochen verbrachten wir sehr viel Zeit damit, die Ausrüstung zusammenzustellen und die Packsättel anzupassen. Wir hatten uns für einen klassischen Packsattel aus Holz für Esel entschieden. Doch der Sattel war für den Rücken unserer Esel zu lang. Und so mussten wir ihn abschneiden, schleifen und polstern, um ihn besser anzupassen. Auch das Vorder- und Hintergeschirr mussten wir abändern. Wir hatten Hufschuhe aus Leder nach Maß anfertigen lassen. Doch schon nach einer Woche war die Sohle durchgelaufen und Darinka hatte Druckstellen am Ballen der Vorderhufe. Ohne Hufschutz wollten wir nicht auf Wanderschaft gehen. Zum Glück kannte Anna einen Hufschmied, der sich auch mit kleinen Eselhufen gut auskannte. Da es keine passenden Eisen in Miniaturgröße gibt, musste der Schmied diese erst nach Maß anfertigen. Darinka wurde das erste Mal in ihrem Leben beschlagen, doch sie ließ es mit stoischer Ruhe über sich ergehen. Ich war sehr stolz auf meine Eselin.

Am Ende unserer Trainingszeit waren wir zwar ein eingespieltes Team, aber das Konditionstraining war viel zu kurz gekommen. Mehr als zehn Kilometer hatten wir noch an keinem Tag zurückgelegt. „Werden wir so jemals irgendwo ankommen?“, fragten wir uns. Nach vier Wochen Trainingscamp wollten wir endlich aufbrechen. Quer durch Österreich zu wandern, bedeutet über 1.200 Kilometer zurückzulegen. Konnten wir das schaffen? War unser Ziel unrealistisch? Wir grübelten lange über dieser Frage, bis uns endlich klar wurde, worum es eigentlich ging. Nicht Anna und ich waren es, die die Ziele festlegten sollten. Es ging uns nicht darum, einen Rekord aufzustellen, oder irgendwo anzukommen. Nein, wir wollten unterwegs sein. Wir würden aufbrechen und genau soweit gehen, wie unsere Esel wollen.

KONTAKT

Günter Wamser und Sonja Endlweber
Büro Abenteuerreiter

Obere Müssing 8
Deutschland
97896 Rauenberg

E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.
Telefon: +49 9377 1588
Fax: +49 9377 929 300

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